NIEDERKAMNITZ


Die Gemeinde Niederkamnitz im Gerichtsbezirk Böhmisch Kamnitz bestand aus den Ortschaften Niederkamnitz, Philippsdorf und Henne (auch Henneberg genannt). Vom letzteren zu unterscheiden ist der angrenzende Ortsteil von Böhmisch Kamnitz gleichen Namens. Die Gesamtfläche der Gemeinde betrug 538 ha. Das Gemeindegebiet wird nördlich des Kamnitzbaches von einem anmutigen Hügelland eingenommen. Es überwiegen (wegen der Lage am Südrand des Elbsandsteingebirges) sandige Böden; nur einige der aufragenden Berge (als Ausläufer des böhmischen Mittelgebirges) bestehen aus Basalt. Die landwirtschaftliche Nutzung nahm 75 % der Gemeindefläche ein, auf Forsten entfielen rund 20 %. Die wirtschaftliche Struktur von Niederkamnitz hatte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Zunahme der Industrialisierung zu Lasten der Landwirtschaft stark gewandelt. Etwa 15 % der Einwohner lebten von der Land- und Forstwirtschaft, knapp 60 % von Industrie und Handwerk und gut 11 % von Handel und Verkehr.  

Die Ortschaft Niederkamnitz gehörte stets zur Stadtpfarrei St. Jakob der Ältere in Böhmisch Kamnitz. Auch die Ortschaften Henne und Philippsdorf wurden nach ihrer Gründung im 17. bzw. 18. Jahrhundert nach Böhmisch Kamnitz eingepfarrt. Die Matriken für die gesamte Gemeinde sind seit 1630 erhalten, jedoch mit Lücken zwischen 1714 und 1735. Niederkamnitz gehörte seit seiner Gründung zum Erbgericht und später zum Stadtgericht Böhmisch Kamnitz. Von 1648 bis 1849 hatte Niederkamnitz ein eigenes Ortsgericht, zu dem auch Oberkamnitz gehörte. 1849 wurde Niederkamnitz einschließlich Philippsdorf und Henne eine selbständige Gemeinde. 1943 wurde diese Gemeinde zusammen mit Oberkamnitz der Stadt Böhmisch Kamnitz eingegliedert.  

Niederkamnitz
Der Ort dürfte als westlicher Teil des großen Dorfes Kamnitz entstanden sein, das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als deutsches zweireihiges Waldhufendorf entlang des Kamnitzbaches gerodet worden war. Als um 1260 der mittlere Teil der Gesamtsiedlung zur Stadt erhoben wurde, blieb Niederkamnitz außerhalb der neuen Stadt und entwickelte sich zur selbständigen Ortschaft – genauso wie der östliche Teil der Siedlung – das spätere Oberkamnitz. Der Ortsname Kamnitz dürfte vom Gewässernamen des Kamnitzbaches übernommen worden sein, der soviel wie „Steinbach” bedeutet (slawisch „kamen” = Stein). Vermutlich bezieht sich die Erwähnung in den Libri erectionum von 1393 „in dem Dorfe am Ende” auf Niederkamnitz. In der Hoflehentafel kommt 1457 „kempnicz inferior” (= niederes Kamnitz) vor. 1654 standen zwölf Häuser; die Bauern hießen Knappe, Lehnert, Hickisch und Arlt. 1713 gab es 15 Häuser, die Namen der Bauern lauteten Knappe, Hickisch, Arlt, Fiedler, Hackel und Lehnert. 1787 gab es für „Unter Kamnitz” 58 Häuser (ohne die inzwischen entstandenen Orte Henne und Philippsdorf), 1833 waren es 63 Häuser und 431 Einwohner. Durch die industrielle Entwicklung im Ort selbst und im nahen Böhmisch Kamnitz begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein schnelles Wachstum. Die Volkszählungen von 1869 und 1890 ergaben 591 bzw. 786 Einwohner. Seinen höchsten Bevölkerungsstand erreichte Niederkamnitz 1910 mit 1.064 Einwohnern. Die häufigsten Familiennamen waren 1934 Michel, Günther, Fiedler, Knappe, Kunert, Peißig, Ahne, Bendel, Hackel, Knechtel, Lehnert, Neider, Schmidt, Seidel, Ubmann (Uhmann ?) und Wertner.  

KZ Rabstein
Im Juni 1944 war auf Niederkamnitzer Gebiet in der Nähe der Preidel'schen Fabrik Rabstein I das Barackenlager Rabstein errichtet worden, in welchem etwa 600 aus Flossenbürg/Bayern verlegte KZ-Häftlinge untergebracht waren, die zu Arbeiten der Weserflugzeugwerke herangezogen wurden. In der Zeit von Mai 1945 bis 15. April 1946 waren in diesen Baracken, dem „KZ Rabstein”, viele Deutsche inhaftiert und von Tschechen zum Teil schwer misshandelt worden.  

Henne oder Henneberg
Der älteste Beleg für die Ortschaft ist eine Geländebezeichnung vom Jahre 1720 „die Henne”. 1781/82 heißt es „Hennedörfl” und „Harrach'sche Henne” (wahrscheinlich zum Harrachhof in Freudenberg gehörend). 1787 hatte der Ort 40 Häuser und 1833 46 Häuser mit 286 Einwohnern. 1869 lebten 63 und 1880 123 Einwohner in Henne. Die häufigsten Familiennamen waren 1934 Knobloch, Lösel, Pech, Purkert und Werner.

Philippsdorf
Philippsdorf wurde 1733 vom Grafen Philipp Joseph Kinsky rund eineinhalb Kilometer nördlich von Niederkamnitz gegründet. Für 1747 ist der Müller und Ortsrichter Siegmund Eschler benannt. 1787 hatte der Ort 49 Häuser, 1833 bereits 55 Häuser mit 333 Einwohnern. 1848 lebten 354, 1869 289, 1890 dann 276 und 1910 noch 263 Menschen im Dorf. Die häufigsten Familiennamen waren 1934 Michel, Zeckert, Büchse, Eschler, Fiedler, Hiekisch und Richter.  

Die Eingemeindung von Niederkamnitz in die Stadt Kamnitz wurde auch in der tschechischen Gemeinde nach 1945 beibehalten. 1961 hatten die zu Česka Kamenice (= Böhmisch Kamnitz) gehörenden Ortschaften Dolní Kamenice (= Niederkamnitz) 799, Huníkov (= Henne) 67 und Filipov (= Philippsdorf) ebenfalls 67 Einwohner.

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